Kirchensteuer bei Trennung von Staat und Kirche?

Dr. Hendrik MunsoniusVon Dr. Hendrik Munsonius, Göttingen

Das meiste Geld bekommen die Kirchen durch die Kirchensteuer, die von ihren Mitgliedern bezahlt wird. Es handelt sich dabei um ein besonderes Finanzierungsinstrument, das der Staat den Religionsgemeinschaften zur Verfügung stellt. Doch wie passt das mit der Trennung von Staat und Kirche zusammen?

Der Weg zur Kirchensteuer

Die Trennung von Staat und Kirche besteht in Deutschland explizit seit 1919. Art. 137 Abs. 1 WRV vom 11.08.1919 statuiert: „Es besteht keine Staatskirche.“ Bis zu dieser Trennung war es ein weiter Weg. Seitdem im Jahr 380 das Christentum im Römischen Reich zur Staatsreligion geworden war, sahen sich auch die weltlichen Herrscher in der Verantwortung für das Kirchenwesen in ihrem Territorium. Nach der Reformation galt das Prinzip, dass der Landesherr bestimmt, ob in seinem Land die römisch-katholische oder die lutherische, später auch die reformierte Konfession gilt: ein Landesherr, ein Territorium, eine Konfession. Mit dem Dreißigjährigen Krieg und den Veränderungen der Landesgrenzen zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die konfessionelle Geschlossenheit der Herrschaftsgebiete endgültig dahin. Es lebten nun Angehörige verschiedener Konfession unter der Herrschaft eines Landesherrn.

Kirchensteuer als Element der Trennung von Kirche und Staat

In dieser Situation entstand die Kirchensteuer. Sie wurde eingeführt, damit nicht mehr der Staat und damit auch alle Steuerzahler, sondern nur die jeweiligen Kirchenmitglieder für die Kosten der kirchlichen Aufgaben herangezogen werden konnten. Sie war damit historisch ein wichtiger Schritt für die Trennung von Kirche und Staat. Mit der Weimarer Reichsverfassung wollte man diese Trennung vollenden, den Kirchen und Religionsgemeinschaft ihren überkommenen Status erhalten und allen anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften den Zugang zu gleichen Rechten eröffnen. Dem dienen die auch heute noch (über Art. 140 GG) geltenden Bestimmungen der Art. 136 bis 139 und 141 WRV. Dort findet sich auch die Garantie der Kirchensteuer. Art. 137 Abs. 6 WRV lautet: „Die Religionsgemeinschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.“

Ausgestaltung der Kirchensteuer

Die Länder haben dazu Rahmengesetze erlassen, die von den Religionsgemeinschaften durch eigene Bestimmungen ausgefüllt werden. Die Kirchensteuer ist praktisch der Mitgliedsbeitrag, der von den Angehörigen einer Religionsgemeinschaft erhoben wird. Sie beträgt je nach Bundesland 8 oder 9% dessen, was als Lohn- oder Einkommensteuer zu zahlen ist. Müssen Ehepartner für verschiedene Religionsgemeinschaften Kirchensteuer zahlen und werden sie gemeinsam veranlagt, so wird die gemeinsam zu zahlende Kirchensteuer jeweils zur Hälfte den Religionsgemeinschafen zugewiesen. Wenn der Ehepartner mit dem höheren Einkommen keine Kirchensteuer zahlen muss, wird von dem Kirchenmitglied ein besonderes Kirchgeld erhoben, bei dem das Einkommen des Ehepartners berücksichtigt wird. Die Kirchensteuer wird in den meisten Bundesländern durch die Finanzämter eingezogen und an die Kirchen überwiesen. Um den dabei entstehenden Aufwand zu decken, bekommt der Staat von den Kirchen je nach Bundesland zwischen 2 und 4% der Kirchensteuersumme.

Kirchensteuer nur in Deutschland?

Kirchensteuer wird außer in Deutschland auch in etlichen anderen Ländern Europas erhoben wie beispielsweise in Dänemark, Finnland, Schweden und der Schweiz. In Österreich gibt es ein kircheneigenes Beitragssystem; dabei müssen die Beiträge im Zweifelsfall vor den Zivilgerichten eingeklagt werden. In Frankreich und den Niederlanden müssen sich die Kirchen weitgehend aus freiwilligen Beiträgen und Spenden finanzieren. In Italien und Spanien entrichten alle Steuerzahler eine Kultursteuer und können dabei angeben, welcher Kirche oder sozialen Organisation dieser Betrag zugutekommen soll. Weitgehend aus allgemeinen Steuermitteln werden die Kirchen in Belgien, die norwegische evangelisch-lutherische Kirche und die orthodoxe Kirche in Griechenland finanziert.

Andere Einnahmequellen

Die Kirchensteuer ist zwar die wichtigste, aber nicht die einzige Geldquelle der Kirchen. Daneben erhalten sie vom Staat wie andere gesellschaftliche Organisationen auch Zuschüsse dafür, dass sie bestimmte soziale Aufgaben erfüllen (z.B. Kindertagesstätten), sowie Staatsleistungen auf Grund von Enteignungen in der Vergangenheit. Sie besitzen Vermögen, dessen Erträge z.B. für die Pfarrgehälter verwendet werden, und sie sammeln Kollekten und Spenden von ihren Mitgliedern und anderen Menschen, die bestimmte Anliegen unterstützen wollen.

Vorteile einer Finanzierung durch Kirchensteuer

Die Kirchensteuer bietet als Grundfinanzierung einige Vorteile gegenüber anderen Finanzierungsmöglichkeiten. Sie stellt eine verlässliche Einnahmequelle dar, die auch langfristige Planungen möglich macht. Sie wird von denjenigen erhoben, die (zumal in der evangelischen Kirche) als Kirchenmitglieder durch die Wahlen in die Kirchenvorstände und Synoden auch Einfluss auf die Verwendung der Einnahmen ausüben können. Indem die Kirchensteuer nach der Lohn- und Einkommensteuer berechnet wird, richtet sich ihre Höhe nach der individuellen Leistungsfähigkeit; und die Kirche nimmt so an der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft teil.

Kirchensteuer nicht nur für Kirchen

Allen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften steht diese Finanzierungsmöglichkeit prinzipiell offen. Dazu müssen sie den Status als Körperschaft öffentlichen Rechts innehaben, den alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften erlangen können, wenn sie nur durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten (Art. 137 Abs. 5 WRV). Durch die Kirchensteuer stellt der Staat den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften eine wirtschaftliche und effektive Einnahmequelle zur Verfügung. Seine Rolle beschränkt sich darauf, die Kirchensteuer einzutreiben und zu überweisen. Diese Unterstützung erscheint angebracht, weil die Arbeit der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften auf eine solide Finanzierung angewiesen, aber selbst nicht auf wirtschaftliche Erträge ausgerichtet ist. Der Staat erkennt damit an, dass Religionen und Weltanschauungen für die Menschen und die Gesellschaft einen Wert haben, der sich nicht in klingende Münze umsetzen lässt.

Anmerkung der Redaktion

Dr. Hendrik Munsonius ist Referent am Kirchenrechtlichen Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland und nimmt einen Lehrauftrag an der Georg-August-Universität Göttingen wahr.

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